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Suchmaschinenoptimierung für feministische Webseiten

SEO als gezielte Strategie von Abtreibungsgegner:innen

An Struktur und Aufbau einschlägiger Webseiten von christlich-fundamentalistischen Abtreibungsgegner:innen ist erkennbar, dass sie Suchmaschinenoptimierung (SEO) gezielt betreiben: Keywords befinden sich in den Überschriften und URLs, die Titel und Meta-Beschreibungen der einzelnen Unterseiten sind suchmaschinenoptimiert. Damit sind sie auch relativ erfolgreich: Für Keywords wie „Abtreibung“ und verwandte Suchanfragen erscheinen Webseiten wie abtreibung.de und profemina.org weit oben. Was steckt hinter der Strategie?

Wie ein Artikel der New York Times schon 2013 beschreibt, ist SEO ein wichtiges Werkzeug der US-amerikanischen Abtreibungsgegner:innen. Durch gute Platzierungen in den Suchergebnissen machen sie Werbung für ihre Beratungszentren, in denen sie mitunter Falschinformationen über die vermeintlichen Risiken von Schwangerschaftsabbrüchen verbreiten. Diese Strategie haben deutsche Abtreibungsgegner:innen übernommen.

Menschen, die sich online über Schwangerschaftsabbrüche informieren wollen, können bei einer Google-Suche nach „Abtreibung“ und verwandten Begriffen auf die Webseiten von Abtreibungsgegner:innen landen, da diese in den Suchergebnissen weit oben gelistet sind. Der Verein Pro Femina e.V. investierte nach eigenen Angaben im Jahr 2018 über 235.000 Euro in seine Öffentlichkeitsarbeit. Auf ihrer Webseite geben sie sich als neutrale Beratungsstelle aus. Dabei muss man sich bis zum Impressum durch klicken, um zu erfahren, dass sie keine Beratungsscheine ausstellen. Sie verbreiten Falschinformationen über die vermeintlichen hohen Risiken von Schwangerschaftsabbrüchen, und nach Recherchen von Juliane Löffler für Buzzfeed nutzen sie in ihrer Beratungsarbeit manipulative Methoden, um Schwangere zum Austragen der Schwangerschaft zu bringen.

Screenshot der Google-Suchergebnisse Andere Nutzer fragen auch mit einer Antwort von Pro Femina auf die Frage Wann abtreiben?

Screenshot von August 2018

Screenshot der Google-Suchergebnisse mit Pro Femina als Ergebnis

Screenshot von November 2019

Mithilfe von SEO erreichen sie eine größere Anzahl an Menschen zu erreichen, insbesondere ungewollt Schwangere. Da SEO auf Konkurrenz beruht, verdrängen sie damit Webseiten mit vertrauenswürdigen Informationen nach hinten. Gleichzeitig umgehen sie feministischen Protest: gegen Suchergebnisse lässt sich erstmal keine Gegenkundgebung organisieren. Täuschungsmanöver – das Verbreiten von Falschinformationen und das Vortäuschen, eine vertrauenswürdige Beratungsstelle oder Klinik zu sein – lassen sich über SEO leicht durchführen.

Screenshot des Google-Suchergebnisses der Seite abtreibung.de, in der Beschreibung wird Beratung und Hilfe über eine Hotline angeboten

Screenshot von August 2020

Falschinformationen über Schwangerschaftsabbrüche finden sich in den Suchergebnissen aber nicht nur auf Webseiten von Abtreibungsgegner:innen. Unter den ersten Ergebnissen befinden sich Unterhaltungsmedien ohne medizinische Expertise wie rtl.de und solche wie netdoktor.de, die sich für ihre medizinische Fachkenntnisse rühmen. Auf beiden dieser Seiten findet sich u.a. die wissenschaftlich widerlegte Behauptung, Schwangerschaftsabbrüche könnten zu psychischen Problemen führen. Netdoktor verbreitet darüber hinaus die These, Schwangerschaftsabbrüche könnten unfruchtbar machen, wofür es ebenfalls keine wissenschaftliche Grundlage gibt. Bei einer Stichprobe im August 2020 befanden sich rtl.de und netdoktor.de für den Suchbegriff „Abtreibung“ auf Platz 1 und 2. Bei einem durchschnittlichen monatlichen Suchvolumen von über 33.000 erreichen die Falschinformationen somit eine beachtliche Reichweite.

Screenshot der Google-Suchergebnisse für Abtreibung mit rtl.de an erster Stelle

Screenshot von August 2020

Zum Teil kaufen Abtreibungsgegner:innen auch bezahlte Anzeigen, die dann für den Suchbegriff an erster Stelle stehen:

Screenshot der Google-Suchergebnisse für Abtreibung mit einer Anzeige von ungeborene.de an erster Stelle

Screenshot von August 2020

Webseiten von Ärzt:innen und Kliniken kommen in den Suchergebnissen nicht vor, weil ihnen §219a Strafgesetzbuch verbietet, umfassend über Schwangerschaftsabbrüche zu informieren. Das hat sich auch nach der Reform des Paragraphen im Jahr 2019 nicht geändert. Aus Sicht des Google-Algorithmus reicht es nicht, dass auf der Webseite einer Ärztin lediglich die Angabe steht, dass sie Abbrüche durchführt. Die Nutzer:innen suchen nach ausführlicheren Informationen, und deshalb listet Google auch nur solche, die diese Informationen anbieten – unabhängig davon, ob diese verlässlich sind, oder nicht.

Dabei ist zu vermuten, dass Suchmaschinen für ungewollt Schwangere eine wichtige Anlaufstelle sind. Der Suchbegriff „Abtreibung“ erreicht wie erwähnt jeden Monat ein durchschnittliches Suchvolumen von über 33.000 Suchanfragen auf Google; bei verwandten Begriffen wie „Schwangerschaftsabbruch“ sind es über 21.500 und bei „Abtreibung Kosten“ über 12.100 Suchanfragen (Quelle: kwfinder.com). Dazu kommen viele weitere.

Nun nutzen viele das Internet, um sich über gesundheitliche Fragen zu informieren. Jedoch kommt in diesem Fall hinzu, dass Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland stigmatisiert sind. Kaum jemand redet offen über den eigenen Schwangerschaftsabbruch. Im direkten Umfeld gibt es nicht immer vertraute Personen, an die sich ungewollt Schwangere wenden können, um offen über ihre Situation zu reden. Die Gesetzeslage – Schwangerschaftsabbrüche sind laut §218 Strafgesetzbuch rechtswidrig, aber unter bestimmten Bedingungen straffrei – trägt zu dieser Stigmatisierung bei.

Wo Suchergebnisse das Ergebnis eines Algorithmus basierend, der sich nicht um Fakten kümmert, wo die Stigmatisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in der Bevölkerung weit verbreitet und der Zugang zu Informationen gesetzlich eingeschränkt ist, sind ungewollt Schwangere besonders verwundbar. Und diese Situation nutzen Abtreibungsgegner:innen aus – unter anderen mithilfe von SEO.